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INTERFACES
Gesichter als Projektions- und Grenzfläche
Die folgenden Anmerkungen zum Zyklus „The Face“ von Galasascha sind kultursemiotischer Natur. Das Zeichen wird mit Umberto Eco nicht als feststehende Entität sondern als vorläufiges Ergebnis einer Kodierungsregel definiert.
Die Kultursemiotik versucht diese Regeln zu durchdringen.

Galasascha The Face: oder Interfaces

Ich begrüße Sie zur Ausstellung des Projektes THE FACE des Künstlerpaares Galasascha. Zwei Dinge fallen in der Auseinandersetzung mit den hier ausgestellten Arbeiten sofort ins Auge:
Das ist (a) Realität und (b) Provokation (Virtualität):
Zum ersten Aspekt: Die hier ausgestellten Arbeiten erscheinen uns vertraut durch die Verwendung allgegenwärtiger medialer Kodes: d.h. durch ästhetische Gestaltungsverfahren, die wir aus der Werbung, der Fotografie, dem Film und der auch in Europa immer populärer werdenden Manga-Hyper-Realität kennen. Was wir sehen, scheint uns vertraut, weil hier eine Sprache gesprochen wird, der wir uns nicht entziehen können: Eine Sprache, die zum zentralen Kode der Konsumkultur geworden ist. Es ist die Bildsprache des global inszenierten dauernd anwesenden impacts (d.i. die heiße Nachricht mit Durchsetzungskraft). Das Gesicht einer jungen Frau in Großaufnahme, ihr verführerischer Augenaufschlag und die geschürzten Lippen verweisen in der Grammatik der Werbebildwelten jede Kaufaufforderung in der Verbalsprache auf den zweiten Rang.

Schon vor der Pop Art hat die Bildende Kunst die persuasive Sprache inszenierter Warenwelten mit Ironie für eigene Zwecke funktionalisiert. Wir befinden uns aktuell in einem Zustand des permanenten Rauschens hochwertig produzierter Bildzeichen. Galasascha übersteigern mit ihren Werken dieses Rauschen, in dem sie eines der wirkungsmächtigsten Zeichen bildlicher Verschlüsselung besetzen und künstlerisch neu bearbeiten: Das Gesicht. Das Gesicht besitzt schon immer einen vorrangigen Zeichencharakter, denn es ist primäres Mittel zum Transport von Botschaften: von der Mystifizierung, Glorifizierung bis hin zur Diffamierung. Heute ist das Gesicht vor allem ein Fetisch. Es ist die Projektionsfläche unserer Sehnsüchte, sei es durch das Opferritual plastischer Operationen oder durch den Maskenball des Virtual Space. Zu keinem Zeitalter wurde Schönheit mehr „designt“ als heute und hatte einen größeren Warenwert.


So weit zu den vertrauten Aspekten und der Realität, die die hier ausgestellten Arbeiten umgibt.

Sind damit Galasaschas Werke innerhalb des nie abreißenden Stroms medial vermittelter Bildfluten hinlänglich vertraute Botschaften?

b) Provokation (Virtualität)
Die Gesichter, die hier wie durch ein Vergrößerungsglas ausgeleuchtet werden, provozieren. Was hinter dem Vergrößerungsglas zu Tage tritt, sind jedoch keine Einzelheiten, wie etwa die spezifische Beschaffenheit von Haut oder Haaren. Wir sehen keine Porträts und damit keine Individuen, sondern – und dies ist das ist Teil ihrer Provokation – „scheinbar“ eine Serie attraktiver ethnischer Prototypen. Ihre Virtualität wird durch die Farbgebung und die Ausformung der Flächen unterstützt: Das Gesicht, sein Hintergrund und sein Vordergrund sind lediglich Projektionsflächen für leuchtende Farbformen, die sich in einer multiplen Komposition neben- und übereinander schieben um Transparenzen und Kontraste zu schaffen (overlay).

Wenn für Leonardo da Vinci das Auge noch Spiegel der (eigenen) Seele war, haben wir es bei den Blicken aus den Augen der hier Anwesenden lediglich mit einer bewusst inszenierten Vorspiegelung falscher Tatsachen zu tun. Diese Gesichter blicken uns weder aus der Tiefe ihrer Seele noch aus der Tiefe eines realen Raumes in die Augen. Dennoch entsteigen sie selbstbewusst ihrer eigenen Welt, - Heldinnen einer digitalen Wunderwelt -, um auf großformatigen Leinwänden in Öl in immer neuen Posen zu provozieren. Es ist sicher ihr Selbstbewusstsein, das fasziniert und das schon viele Betrachter in seinen Bann gezogen hat.

Ich möchte diesen Zustand der weiblichen Figur zwischen Realität und Virtualität in Anlehnung an den Titel der Arbeiten „The Face“ Interfaces nennen. Der Begriff Interface bezeichnet in der Informationswissenschaft die Schnittstelle oder auch Grenzfläche eines Kommunikationssystems mit einem anderen. Interfaces (im Plural) akzentuiert die Pluralität dieser Schnittstellen:
Thematisch: Das Gesicht an der Schnittstelle zwischen Realität und virtueller Scheinwelt;
Technisch: Das Gesicht an der Schnittstelle zwischen computermanipulierten Entwürfen und präziser akademisch malerischer Ausarbeitung;
Biographisch: Dem Gesicht an der Schnittstelle im Gemeinschaftswerk von GalaSascha, der künstlerischen Synthese der realen Personen Galina Brando und Sascha Abramov zum Künstlerpaar GalaSascha. Ihre beiden Biographien treffen im Werk in der Dimension Realität versus Virtualität aufeinander. Galina Brando sucht an der Schnittstelle zwischen westlicher und asiatischer Kultur nach ihrer Vergangenheit, die mit einem großen geschichtlichen Mythos und der Suche nach Gesichtern belastet ist. Sascha Abramovs Auseinandersetzung mit The Face spiegelt seine Begegnung mit Galina, die zunächst kein reale Begegnung, sondern eine Begegnung mit Fotos (also eine virtuelle) ist, wieder.

Galasascha haben in ihrer Thematik, Technik und ihrer biographischen Auseinandersetzung mit den aktuellen medialen Kodes ihre eigene provozierende Bildsprache gefunden:
Zwischen Realität und Virtualität, an der Schnittstelle von Form, Farbe und Gesicht.

Januar 2008, Dr. Dörte Schultze-Seehof

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